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I

fiziert werden. Konsens herrschte in der Runde

über eine grundsätzliche Frage: Nein, man könne

keinesfalls von einem neuen Kalten Krieg spre-

chen. Allerdings müssten sich westliche Strategen

von konventionellen Denkmustern verabschie-

den, wollten sie Russlands Verhalten verstehen.

Politischer Wille zum Aufwuchs der Marine

Zu den positiven Nachrichten des Tages, die

Andreas Krause auf dem Symposium bekannt-

gab, gehörte zunächst die Ankündigung des Baus

fünf neuer Korvetten für die Marine. Ferner sehe

die Planung zwei Uboote, sechs statt vier Mehr-

zweckkampfschiffe (MKS) sowie die Moderni-

sierung der acht Seefernaufklärer P-3C Orion

für die Ubootjagd vor. Auf der Agenda stünden

außerdemmehrere Hubschrauber der Klasse „Sea

Lion“ sowie der Ersatz der Hubschrauber „Sea

Lynx“. Diese Maßnahmen sind zwar teilweise

bereits bekannt, in ihrer Gesamtheit machen sie

aber den politischen Willen zum Aufwuchs der

Marine deutlich.

Hinsichtlich der Frage, inwieweit das dafür not-

Kein neuer Kalter Krieg

Internationales Symposium: 60 Jahre deutsche Marine

und das Ende einer (weiteren) Fähigkeit

Großer Zapfenstreich

anlässlich des 60-jäh-

rigen Bestehens der

deutschen Marine im

Marinestützpunkt

Warnemünde

Im November des vergangenen Jahres hat die

Marine in Rostock und Warnemünde ihren 60.

Geburtstag gefeiert. Begangen wurde dieser mit

einem internationalen Symposium unter der

Überschrift „Renaissance der Nordflanke“ im

Marinekommando und einem Großen Zap-

fenstreich imMarinestützpunkt Warnemünde.

Veränderte Lage an der Nordflanke

Vizeadmiral Andreas Krause, Inspekteur der Ma-

rine, hatte neben zahlreichen Angehörigen der

deutschen Marine auch den ehemaligen Vorsit-

zenden des Militärausschusses der Nato, den dä-

nischen General a.D. Knud Bartels, zum Sympo-

sium eingeladen. Außerdem waren der britische

Vizeadmiral Clive Johnstone, Befehlshaber des

Allied Maritime Command der Nato, Stefanie

Babst, Nato-Beauftragte für Öffentlichkeitsar-

beit, sowie Konteradmiral Jean Martens, Abtei-

Auch Öffentlichkeitsarbeiterin Babst räumte

bei der Podiumsdiskussion ein, dass der Westen

den Status quo vor 2014 – als es mit den USA

lediglich eine Großmacht gegeben habe – lange

als dauerhafte Normalität begriffen und kaum

mit derart einschneidenden Veränderungen ge-

rechnet habe. Nun wolle Russland aber mit aller

Macht die Regeln der Weltpolitik ändern, um

wieder Augenhöhe mit den Vereinigten Staa-

ten zu erreichen. Die aggressive Außenpolitik

Moskaus habe zunächst selbst viele ausgewiesene

Experten verblüff, so Babst.

Was ist zu tun? Konteradmiral Martens nannte

einige Maßnahmen, die die Nato angesichts der

zunehmenden Herausforderungen bereits ergrif-

fen habe. Er begrüßte ausdrücklich die Entschei-

dung, mehr Geld als bislang in die Verteidigung

zu investieren. Lobenswert sei auch die Absicht,

die Flotten wieder zu vergrößern. Unbedingt aus-

geglichen werden müsse hier der Mangel an klei-

nen und mittleren Schiffen. Solange dies nicht ge-

schehen sei, so Martens, müssten im Ostseeraum

Kooperationen mit verbündeten Ländern identi-

Das neue Gefährdungspotenzial

durch Russland war Thema des

Symposiums „Renaissance der

Nordflanke“.

Foto: Bundeswehr/Back

Foto: Bundeswehr/Letzin

lungsleiter „Einsatz“ im Marinekommando, in

Rostock dabei. Moderator der Podiumsdiskussi-

on war Karl-Heinz Kamp, Präsident der Berliner

Bundesakademie für Sicherheitspolitik.

In einer interessanten Debatte sagte General

Bartels unter anderem zum Thema neuer Kalter

Krieg: „Russland ist nicht der Feind der Nato –

aber es ist ein Superproblem.“ Vizeadmiral Krause

bezeichnet die Lage imNordflankenraum der Al-

lianz als „massiv verändert“. Entscheidende Ko-

ordinaten dieses geostrategischen Wandels auch

im Ostseebereich seien die völkerrechtswidrige

Annexion der Halbinsel Krim durch Russland im

März 2014 und der anschließende russisch-ukrai-

nische Dauerkonflikt. Der Inspekteur der Ma-

rine dazu: „Heute müssen wir die Geografie, in

der wir operieren, wieder neu entdecken.“ Denn

im Krisenfall werde das Seegebiet zwischen Dä-

nemark und dem Baltikum „zur Lebensader“ für

die Nato-Partner Estland, Lettland und Litauen.

Alle Indikatoren verpasst

Wie unerwartet Putins Russland den Westen

2014 vor vollendete Tatsachen gestellt hatte,

belegte Vizeadmiral Johnstone: „Wir verstehen

Russland nicht. Wir haben alle Indikatoren ver-

passt, die auf die Krise von heute hingedeutet

haben.“ Die Nato müsse deshalb umgehend über

ihr Abschreckungspotenzial nachdenken. Der

Kommandeur des Allied Maritime Command

benannte auch die Gebiete, auf die jetzt zusätz-

lich Aufmerksamkeit gerichtet werden müsste:

Russland, Syrien, Schwarzes Meer, Nordafrika

und vor allem der Atlantik.

DIE BUNDESWEHR | JANUAR 2017

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