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Entscheiden mit Gefühl
Anders als bei einer Elternschaft verschweigen viele
Erwerbstätige ihre häusliche Pflegeverantwortung
– weil es ein unangenehmes Thema ist und weil sie
Nachteile fürchten, wenn sie mit Pflegeaufgaben
belastet sind. Darum kann ein offensiver betriebli
cher Umgang mit demThema pflegende Mitarbei
ter entlasten und damit sowohl die persönlichen
als auch die arbeitsbezogenen Folgen einer Pflege
übernahme mildern.
Dies ist sicherlich nur ein Grund, weshalb der
Sozialdienst der Bundeswehr und die Abteilung
„Zentrale und soziale Fachaufgaben“ des BA
PersBw kürzlich in die LüttichKaserne eingeladen
hatten. Die Veranstaltung zum Thema „Umgang
mit Pflegebedürftigkeit aus Sicht einer Führungs
kraft“ lockte rund 20 Interessierte ins Tagungszen
trum.
Das Ziel: Einen Überblick über die Unterstüt
zungsmöglichkeiten aus materiellrechtlicher und
psychosozialer Sicht zu geben. „In erster Linie wol
len wir mit dieser Veranstaltung eine Hilfestellung
anbieten. Es geht darum, mehr Handlungssicher
heit für die Führungskräfte herzustellen. Gerade
in schwierigen Lebenssituationen der unterstellten
Mitarbeiter die richtigen Entscheidungen zu tref
fen, erfordert Sensibilität“, erklärt Rula Strehl,
Unterabteilungsleiterin für zentrale und soziale
Angelegenheiten im BAPersBw.
Mitgefühl ist gut – Mitleid wäre falsch
Immer häufiger pflegen Mitarbeiter ihre nahen
Verwandten zu Hause. Dies erfordert viel Kraft
und Zeiteinsatz. Oftmals sind es schwere Schicksa
le, mit denen die Führungskraft konfrontiert wird.
Wie reagiert der Vorgesetzte richtig? Wie kann er
dem Betroffenen hilfestellend zur Seite stehen, wie
weit sollte er die persönliche Situation des Mit
arbeiters an sich heranlassen? Mit diesen Fragen
setzten sich die Teilnehmer auseinander. Ein Fazit:
Mitgefühl zu zeigen ist gut, denn dies ist eine Form
des Trostes. Der Leidende fühlt sich emporgezo
gen, anstatt mit demLeid des Mitleidenden zusätz
lich belastet zu sein.
Ein weiteres Instrument sind flexible und ver
lässliche Arbeitszeiten. Zusätzlich kann eine Re
duzierung der Arbeitszeit die zur Pflege notwendi
ge Zeit verschaffen. Wichtig ist, dass nicht nur die
Arbeitszeit, sondern auch die Aufgaben reduziert
werden. Dafür sind organisatorische Abstimmun
gen notwendig und zwar sowohl mit den Füh
rungskräften als auch mit den Kollegen.
Professionelle Distanz wahren
Oberfeldarzt Dr. Beate Käwert ist gleich doppelt
betroffen. Als Referatsleiterin, beratende Ärztin
des BAPersBw und die verantwortliche mili
tärärztliche Beratungskompetenz gegenüber der
Personalführung und der Leitung des Amts ist sie
eine Führungskraft. Gleichzeitig pflegt sie seit ei
nigen Jahren ihre Mutter. „Für mich war es heute
nochmal wichtig, die Bestätigung für meine Art
des Umgangs zu bekommen. Ich bin schon häufig
mit schwierigen Lebenssituationen meiner Mitar
beiter und Kameraden konfrontiert worden. Ich
versuche, in diesen Gesprächen nicht mitzuleiden.
Mitleid ist kein guter Berater“, so Käwert, die in
diesem Zusammenhang die Arbeit des Sozial
dienstes der Bundeswehr lobte.
Oberfeldarzt Käwert hat übrigens positive Er
fahrungen mit pflegenden Mitarbeitern gemacht:
„Für mich ist ein solcher Kamerad oder Kollege
eine große Bereicherung. Meistens ist er belastbar,
kann über den Tellerrand hinausschauen, ist mit
Fotos: Bundeswehr/Funk
fühlend und bekommt sein Leben organisiert. Das
sind für mich sehr positive Eigenschaften.“
Hallo Zukunft!
Der demografische Wandel wird aus personalpoli
tischer Perspektive vorrangig unter demAspekt al
ternder Belegschaften oder Nachwuchskräfteman
gel betrachtet. Eine steigende Lebenserwartung bei
gleichzeitigem Geburtenrückgang bedeutet aber
auch einen steigenden Anteil pflegebedürftiger äl
terer Menschen. Betriebe und Beschäftigte sowie
Politik und Gesellschaft müssen in den kommen
den Jahrzehnten Strukturen schaffen, die es auch
unter veränderten Bedingungen ermöglichen,
Pflegebedürftige qualitativ hochwertig und men
schenwürdig zu versorgen.
J. Dilthey, eb
Häusliche Pflege von Angehörigen verlangt Erwerbstätigen viel ab. Führungskräfte sollen
für den Umgang mit diesen Mitarbeitern sensibilisiert werden.
Beate Käwert: „Mitleid ist kein guter Berater“
Tagung zur häuslichen Pflegeverantwortung
Mehr Handlungssicherheit für Führungskräfte im Umgang mit pflegenden Mitarbeitern
Foto: Fotolia
DIE BUNDESWEHR | JANUAR 2017
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