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Ü

Alterssicherung: Ein System für alle?

Ein Verlustgeschäft.

Für alle.

Foto: Fotolia

Von Klaus Dauderstädt

Überlegungen, die bestehenden Altersversor-

gungssysteme in Deutschland im Sinne einer

„Volksversicherung“ zu vereinheitlichen, begleiten

die politische Debatte seit Jahrzehnten. Stets ein

zentraler Aspekt der jeweiligen Konzeption: die

Beseitigung der eigenständigen Beamtenversor-

gung. Eine Einbeziehung von Beamten in eine

sogenannte Erwerbstätigenversicherung ist jedoch

zum einen nicht mit der verfassungsmäßigen Ord-

nung des Grundgesetzes vereinbar. Zum anderen

würden sich Hoffnungen auf Einsparungen nicht

erfüllen.

Die Beamtenversorgung ist im Gegensatz zur

gesetzlichen Rentenversicherung keine klassische

Versicherung, sondern Ausdruck der Alimentati-

onspflicht des Dienstherrn gegenüber seinen Be-

amten. Sie ist kein besonderes Privileg, sondern

Gegenleistung für die Verpflichtung des Beamten

zur hoheitlichen Tätigkeit und für die besonderen

Pflichten, die sich aus seinem Dienst- und Treue-

verhältnis ergeben. Der Anspruch auf Versorgung

unterscheidet sich damit grundlegend von dem

rentenrechtlichen Versicherungsanspruch. Aus

der auf dem Lebenszeitgrundsatz beruhenden Ali-

mentationsverpflichtung nach Art. 33 Absatz 5

GG folgt, dass der Dienstherr die Altersversorgung

zu tragen hat. Von der allgemeinen gesetzlichen

Sozialversicherungspflicht sind Beamte deswegen

befreit. Stattdessen sind im System der Beamten-

Klaus Dauderstädt

Bundesvorsitzender dbb beamtenbund und tarifunion

Über die Altersversor-

gung wird in Deutsch-

land heiß diskutiert.

Dass Pensionen und

Renten aus zwei völlig

verschiedenen Syste-

men gezahlt werden,

wissen allerdings nur

wenige.

Vollversorgung gewährleistet und damit neben der

Rente eine zusätzliche „betriebliche“ Versorgung

aufgebaut werden – also noch mehr Ausgaben für

Bund, Länder und Kommunen. Das Einheitsmo-

dell würde zudem nicht die Frage der vorhandenen

Versorgungsempfänger und der versorgungsnahen

Jahrgänge lösen, für die ein verfassungsrechtlich

gebotener Besitzstandschutz erfüllt werden müss-

te.

Auch aus rentenpolitischer Sicht ergibt eine Er-

weiterung des rentenversicherungspflichtigen Per-

sonenkreises keinen Sinn. Die Beamten, die heute

zusätzliche Rentenbeiträge einzahlen würden,

erhielten ja mit Erreichen des Rentenalters auch

Ansprüche auf Rentenzahlungen aus der gesetzli-

chen Rentenversicherung – die Zahl der Rentner

und damit auch der Beitragssatz zur Rentenversi-

cherung läge noch höher, als es der demografische

Wandel in Zukunft ohnehin erwarten lässt. Besse-

re Nachhaltigkeit? Fehlanzeige.

Die Prinzipien des Berufsbeamtentums sind

aus gutem Grund im Grundgesetz selbst fest-

geschrieben – diese „Geschäftsgrundlage“ mit

Verfassungsrang ist Ausdruck eines funktionalen

gesellschaftlichen Bedürfnisses: Der Staat muss

Tag und Nacht handlungsfähig bleiben und den

Bürgern gegenüber dafür einstehen, dass wichtige

Einrichtungen und Leistungen verlässlich, nach

rechtstaatlichen Grundsätzen, und dauerhaft –

also auch streikfrei! – zur Verfügung stehen. Diese

Garantie gibt es nur dank des besonderen Profils

des Berufsbeamtentums. Jeder, der Hand an des-

sen Grundsätze legt, wird unweigerlich ein Ver-

lustgeschäft machen. Für alle.

besoldung und -versorgung seit

den 50er Jahren die Pensionen

wirtschaftlich betrachtet auch

aus einbehaltenen, lediglich

nicht förmlich ausgewiesenen

Gehaltsbestandteilen aufge-

baut. Dies bedeutet, dass bei

der Bemessung der Besoldung

der aktiven Beamten der späte-

re Versorgungsanspruch bereits

berücksichtigt ist. Dahinter

steht die Idealvorstellung, dass

der Dienstherr aus den einge-

sparten Beträgen Rücklagen bil-

det, die die spätere Versorgung

seiner Beamten weitgehend

abdecken, und auf diese Weise

keine Verlagerung von Aufwen-

dungen in die Zukunft erfolgt.

Dieser Ansatz ist erst vor über 15 Jahren in Bund

und Ländern durch die schrittweise Einführung

von Versorgungsrücklagen und -fonds aufgegrif-

fen, jedoch in den Jahrzehnten davor sträflich ver-

nachlässigt worden.

Wer nun Beamte in eine „gesetzliche Renten-

versicherung“ einbeziehen will, muss zur Kenntnis

nehmen, dass die Dienstherrn dann auch „Arbeit-

geberbeiträge“ zu tragen hätten und zugleich die

Bruttobezüge der Beamten im Hinblick auf eine

Beitragspflicht anheben müssten – erhebliche fi-

nanzielle Aufwendungen, für die die Haushalte

aller Gebietskörperschaften keinen Raum haben.

Gleichzeitig müsste entsprechend den Regelungen

für die Angestellten des öffentlichen Dienstes eine

DIE BUNDESWEHR | JANUAR 2017

G A S T B E I T R A G

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