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Von Hans-Peter Bartels
Staat und Soldat stehen in einem gegenseitigen
Dienst- und Treueverhältnis. Mit der Pflicht der
Soldatinnen und Soldaten zum treuen Dienen,
zu dem sie sich mit ihrem Schwur oder Gelöbnis
bekennen, korrespondiert die Verpflichtung des
Dienstherrn zu Fürsorge und Betreuung, die mit
der Berufung in ein Wehrdienstverhältnis be-
gründet wird. Dies gilt für den Grundbetrieb im
Inland, insbesondere aber in Auslandseinsätzen.
Neben diesem rechtlichen Aspekt gibt es aber
auch eine andere Dimension der Begründung, ein
Wort: Motivation. Nur motiviertes Personal kann
seine Aufgaben gut erledigen; und je widriger die
Arbeitsbedingungen, desto wichtiger ist umfas-
sende Betreuung.
Seit Beginn der Auslandseinsätze der Bun-
deswehr in den 1990er Jahren gibt es zu Hause
Familienbetreuungszentren, im Camp Marke-
tenderwarenversorgung, Radio Andernach, die
OASEN der Militärseelsorge und andere Be-
treuungseinrichtungen und Sportmöglichkei-
ten in den Feldlagern, um nur einige zu nennen.
Während deutsche Soldaten auf dem Balkan um
die Jahrtausendwende manchmal Handyrech-
nungen im vierstelligen Bereich hatten, wenn sie
regelmäßig mit der Heimat telefonierten, hat sich
die Bundeswehr für dieses Jahr erstmals zum Ziel
gesetzt, allen Einsatzkontingenten die kostenlose
Kommunikation mit Angehörigen und Freunden
zu ermöglichen, jedenfalls im Prinzip.
Trotz aller Fortschritte zeigt sich in zahlrei-
chen Eingaben aber auch, dass die Umsetzung
der neuen Betreuungskommunikation den Be-
dürfnissen der Soldaten (noch) nicht umfassend
gerecht wird. Kritisiert werden unter anderem zu
geringe Bandbreiten – insbesondere wenn nach
Dienstschluss ein großer Teil des Kontingents
nach Hause telefonieren möchte, instabile Ver-
bindungen und schlechte Netzabdeckung in ver-
schiedenen Feldlagern. Der Verweis darauf, dass
der Auslandsverwendungszuschlag (AVZ) keine
reine Gefahrenzulage darstellt, wie manche glau-
ben, sondern vielmehr alle materiellen Mehrauf-
wendungen und immateriellen Belastungen der
Verwendung im Ausland abgelten soll, wie es im
Bundesbesoldungsgesetz heißt, greift allerdings
zu kurz – jedenfalls wenn die Bundeswehr einer
der attraktivsten Arbeitgeber Deutschlands sein
will. Dann darf sie nicht eigene alte Unzuläng-
lichkeiten zum Maßstab nehmen, sondern sollte
sich an der „best practice“ zum Beispiel in verbün-
deten Armeen messen.
Mit Sorge sind immer noch die langen Beför-
derungszeiten für Feldpost in manche Einsatz-
gebiete zu betrachten. Und wenn sich die Mar-
ketenderwarenversorgung oft nur auf Artikel des
täglichen Bedarfs beschränkt, muss es auch mög-
lich sein, dass Soldaten sich ein neues Smartphone
oder einen E-Book-Reader von Angehörigen oder
einem Onlineshop aus der Heimat per Feldpost
ins Feldlager schicken lassen, ohne dass dadurch
wegen Verstoßes gegen Gefahrgutvorschriften im
Luftverkehr die Feldpostlieferung für das gesam-
te Kontingent verzögert wird.
Je mehr die Bundeswehr ihre Soldaten in Einsät-
zen, in einsatzgleichen Verpflichtungen, in Dauer-
einsatzaufgaben oder auch nur im Grundbetrieb
fernab der Heimat (Pendler!) beansprucht, desto
mehr muss sie auch in ihre Betreuung investieren
– unabhängig vom jeweiligen Rechtscharakter
der Mission. So ist die Versorgung mit Mediener-
zeugnissen für die Besatzungen von Schiffen der
Marine genauso wichtig, wenn sie im mandatier-
ten UNIFIL-Einsatz unterwegs sind, einem Na-
to-Einsatzverband unterstehen oder im Rahmen
der Ausbildung ins Mittelmeer fahren. Gleiches
gilt für die Betreuungskommunikation – egal ob
es sich um einen mandatierten Auslandseinsatz
in Incirlik oder um eine mehrmonatige Stationie-
rung im Baltikum im Rahmen der Vornepräsenz
der Nato handelt.
Die Bundeswehr muss sich der Herausforde-
rung stellen, ihre Betreuungskonzepte stets an die
Bedürfnisse der Soldatinnen und Soldaten anzu-
passen, um ein attraktiver Arbeitgeber zu bleiben.
In internationalen Einsätzen könnten gemein-
same Betreuungskonzepte der EU-Staaten sogar
einer weiteren europäischen Integration den Weg
bereiten. Die Besten sollten da den Maßstab set-
zen. Wenn das in Zukunft immer öfter die Kon-
zepte und die Praxis der Bundeswehr selbst sind
– um so besser.
Foto: dpa/picture alliance
Hans-Peter Bartels
ist seit Mai 2015
Wehrbeauftragter
des Deutschen
Bundestags.
Nur motiviertes Personal
kann seine Aufgaben gut
erledigen und je widriger
die Arbeitsbedingungen,
desto wichtiger ist
umfassende Betreuung.
HANS-PETER BARTELS
Betreuung – Eine Frage
der Attraktivität!
Zum Thema
Betreuungs-
kommunikation
erreichen den
Wehrbeauftragten
weiterhin zahlrei-
che Eingaben.
DIE BUNDESWEHR | JANUAR 2017
T I T E L : B E T R E U U N G 13