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Kein Beruf wie jeder andere:
das Berufsethos des Bundeswehrsoldaten
DIE BUNDESWEHR | JULI 2017
Von Klaus Naumann
Skandale sind allemal Stunden der Wahrheit,
Skandalbewältigungen nicht minder. Doch allzu
leicht kann es geschehen, dass die Anlässe von den
Folgen überdeckt werden. Die jüngsten Vorfälle
in der Bundeswehr, die Kriseninterventionen der
Ministerin und die hochgehenden Emotionen
sind dafür ein Beispiel. Gerade dann ist es wich-
tig, auf das Gemeinsame beider Vorgänge auf-
Im Zentrum des soldatischen Berufsethos steht die Verpflichtung zu Tapferkeit, Treue und die
Bereitschaft, mit dem Leben für den Auftrag einzustehen. Aber dazu gehört ebenso das
eigene Verhalten, wenn gerade keiner zusieht.
merksam zu machen und nicht die Henne gegen
das Ei auszuspielen. Der gemeinsame Kern der
Aufregung liegt in Übergriffigkeiten, der Verlet-
zung von Normen und Loyalitäten, dem Vorent-
halten von Wertschätzung, dem Verlust der Ba-
lance zwischen Vertrauen und Kontrolle. Wenn
nötig kann dagegen strafrechtlich eingeschritten
werden; es kann disziplinarrechtlich vorgegangen
werden; es können Handlungsfähigkeit demons-
triert, gute Vorsätze formuliert, Arbeitsgruppen
gebildet und Zukunftsprogramme vorgelegt wer-
den. Das alles ist möglich. Aber ist es auch aus-
reichend?
Der Verlauf des Falls Oberleutnant Franco A.
reizt dazu, die Problemlage an einem Thema bei-
spielhaft zu erörtern. Von der Bundeswehr lange
übersehen und verharmlost, war hier ein rechts-
extremistisches Netzwerk mit terroristischen
Ambitionen entstanden. Der Ortstermin am Sitz
der Deutsch-Französischen Brigade in Illkirch
förderte Wehrmachtsdevotionalien zutage. Und
schon wurde der Umkehrschluss gezogen – dieses
Teufelszeug müsse endgültig aus den deutschen
Kasernen verschwinden. Damit „so etwas“ nicht
wieder vorkommt? So einfach ist es indessen
nicht. Die Gleichung, die hier stillschweigend
Foto: Bundeswehr/bienert
Ehrenspalier zur Verabschiedung gefallener Bundeswehrsoldaten im Mai 2011 in Afghanistan
Ausklammern
oder totschweigen
hilft nichts – und
funktioniert offenbar
auch gar nicht.
KLAUS NAUMANN
Das Berufsethos ist
ein professionelles
Leitbild, das uns zum
Wächter unserer selbst
macht.
KLAUS NAUMANN
aufgemacht wurde, geht nicht auf. Ganz gewiss
wird eine kritiklose Verehrung der Wehrmacht
des Dritten Reichs immer im Umkreis rechtsex-
tremer Gesinnungen und Gruppierungen anzu-
treffen sein. Aber diese Beobachtung lässt sich
nicht umstandslos auf alle und jeden Verehrer der
vormaligen deutschen Armee ausweiten. Das ist
kein Votum dafür, die Traditionsecken und -win-
kel unangetastet zu lassen. Die Sache ist schon
etwas komplizierter. Und damit kommt die „ver-
fluchte Traditionsfrage“ ins Spiel, die schon der
erste Generalinspekteur Heusinger beklagte.
T I T E L : B E R U F S E T H O S
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