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E

Saving Private Schmitz – wie wir

die Bundeswehr umarmen sollten

Von Gregor Weber

Ein Soldatenfriedhof am Strand der Normandie.

Sonnenschein, viele Besucher. Stars and Stripes

wehen majestätisch imWind, daneben die Flagge

Frankreichs. Ein alter Mann geht unsicher über

das Gras, durch endlose Reihen weißer Stein-

kreuze und Davidssterne, in einigen Metern Ab-

stand offenbar seine Familie. Vor einem Kreuz

bleibt er stehen, muss, von überwältigender Re-

gung erschüttert, in die Knie, hält sich weinend

am Kreuz fest.

So beginnt und endet der Film „Saving Private

Ryan“. Dazwischen entfaltet sich die Geschichte

der Rettung dieses Mannes als junger Fallschirm-

jäger bei der Befreiung Frankreichs. Ein Trupp

Ranger hat alles riskiert und das meiste verloren,

um ihn zu finden. Der Führer des Trupps, Cap-

tain Miller, sagt am Ende sterbend zu dem jun-

gen Ryan: „Earn this. Earn it!“ – verdien dir diese

Rettung. Und Ryan, jetzt ein alter Mann, fragt,

fast bittend wie ein Kind, seine Frau, ob er ein gu-

tes Leben geführt hat.

In diesen wenigen Ausschnitten liegt – hoch

emotional aufbereitet – das Bestmögliche, was

Soldat sein bedeutet und das Äußerste, was es for-

dern kann. Die Verpflichtung, dem Ruf der eige-

nen Nation in der Not zu folgen. Der Wille, einer

anderen Nation im Kampf um die Freiheit beizu-

stehen. Die Bereitschaft, für einen unbekannten

Kameraden das Leben zu wagen. Kämpfen und

dabei anständig bleiben. Den Tod anderer nicht

achselzuckend hinzunehmen, sondern daraus ein

Ethos fürs eigene Weiterleben abzuleiten. Die

Gefallenen nicht vergessen. Dankbar sein für das

eigene Leben und die eigene Freiheit. Die Aner-

kennung dessen, was der Soldat imKrieg erduldet

und geleistet hat durch Familie und Gesellschaft.

Als Deutscher sieht man solche Filme mit ge-

mischten Gefühlen. Denn es sind selbstverständ-

lich und wahrheitsgemäß nie deutsche Soldaten,

die auf der Leinwand Unfassbares erleben, um

am Ende, seien sie auch noch so beschädigt und

erschüttert, als Helden dazustehen, weil alles, was

sie erlitten und taten, zu einem höheren Zweck

geschah. Dass viele Soldaten der Wehrmacht

ihren eigenen Kriegsdienst wohl nicht anders in

der Rückschau beurteilten als alliierte Kämpfer,

ändert auch nichts daran, dass der Zweck, zu

dem sie auf die Schlachtfelder geschickt wurden,

durch und durch böse und menschenverachtend

war. Da ist ein Riss. Eine Schlucht. Ein Trauma.

Das Selbstbild gebot dem Einzelnen, sich trotz

der verbrecherischen Motive des Nazi-Staats

letztlich als treuen Verteidiger des eigenen Landes

Szene aus dem Spielfilm „Saving Private Ryan“: Für den Schauspieler und Reservisten Gregor Weber ist in dem Hollywoodstreifen

das „Bestmögliche, was Soldat sein bedeutet und das Äußerste, was es fordern kann“ emotional aufbereitet.

Foto: DAVIDS/Filmarchiv Wippitsch

DIE BUNDESWEHR | JULI 2017

T I T E L : B E R U F S E T H O S

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