

ghanistan eine andere, komple-
xere Anforderung in den Fokus:
Die Definierung und Heranbil-
dung eines Ethos des Kämpfers,
aber aus dem Prinzip der Inneren
Führung heraus und zu den Prin-
zipien einer freiheitlichen Demo-
kratie passend.
Damit tut sich die Bundes-
wehr enorm schwer, unter an-
derem, weil sie fürchtet, dieses
Ethos in unserer Friedensgesell-
schaft am Ende dem Bürger nicht
vermitteln zu können. Dass dann
an vielen Stellen ein fehlendes
Leitbildmit plumpemMachismo
ersetzt wurde, hatte fatale Folgen
für das innere Gefüge. Exzesse in
der Ausbildung, sinnlose Härte,
die nichts mit notwendiger Herausbildung von
Durchhalte- und Leidensfähigkeit zu tun hat, all-
tägliches Mobbing und immer wieder auftreten-
der Sexismus haben sowohl mit einem fehlgelei-
teten Männer- und Kämpferbild zu tun als auch
mit nicht ausreichender Führung und Leitung.
Natürlich wurde bei der Bundeswehr immer
auch zum Kämpfen ausgebildet. Aber es ist etwas
anderes, wenn nach der Ausbildung dann tat-
sächlich geschossen wird, getötet und gestorben.
Wenn Soldaten verwundet an Körper oder Seele
zurückkehren. Wenn die Gründe, weswegen Sol-
daten in Einsätze geschickt werden, sich funda-
mental von den gewohnten Erklärungsmustern
für die Existenz der Bundeswehr unterscheiden.
Wenn klar wird, dass sich viele Bürger nicht mehr
selbstverständlich mit diesen neuen Erklärungen
identifizieren können und ihre allgemeine Ab-
lehnung weltweiter militärischer Engagements
als Ablehnung ihrer selbst bei den Soldaten an-
kommt. Als dann auch noch die Wehrpflichtigen
aus den Kasernen verschwanden, geriet der Aus-
tausch zwischen Armee und Bevölkerung ernst-
lich ins Stocken.
Richtig schwierig wurde es aber mit dem
Selbstverständnis deutscher Soldaten, als sich vor
allem anhand des Afghanistan-Einsatzes zeigte,
dass verantwortliche Politiker der kritischen Be-
völkerung eine Sicht der Lage und der nötigen
Schritte vermittelten, die viele Soldaten nicht in
Einklang mit ihrer persönlichen Erfahrung im
Einsatz brachten, von der sie aber das Gefühl hat-
ten, sie passe Politik und Gesellschaft so gut in
den Kram, dass die Sicht der Soldaten keine Rolle
im öffentlichen Diskurs mehr spielen dürfe.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt – so habe ich
das jedenfalls wahrgenommen – lavierten sich
manche Soldaten innerlich in eine Haltung, die
der Generation Wehrmacht ähnelte. Dass eine
solche Haltung eher kindischen Trotz ausdrückt
als einen förderlichen Austausch anzustoßen,
kam und kommt diesen Soldaten eher nicht in
den Sinn. Und ich fürchte, der eine oder andere
unter ihnen hampelt aus genau diesem Trotz ger-
ne mit Wehrmachtshelmen und Schmeißer-MPs
herum.
Wenn sich dieser Trotz über Jahre und Karrie-
ren durch die Führungsebenen zu ziehen beginnt,
kann er zur ernsthaften Gefahr werden. Ich glau-
be keinesfalls, dass die Bundeswehr ein Rechtsex-
tremismusproblem hat, das wesentlich über dem
der Gesamtgesellschaft liegt. Auch ein Franco A.
samt möglichen Mitverschwörern, so unerträg-
lich und vollständig inakzeptabel die vermutli-
chen Tatbestände für die Bundeswehr auch sind,
ändert nicht die Statistik.
Aber die Bundeswehr hat meiner Ansicht nach
ein Problem mit Trotz, Rückzug aus dem gesell-
schaftlichen Diskurs und mit fehlender durchgrei-
fender Führung auf vielen Ebenen. Letzteres hängt
auch mit der Konstruktion der Karrieren von Be-
rufsoffizieren zusammen. Wer Führungskräfte alle
zwei, drei Jahre quer durch die Republik versetzt
und ehrgeizigem Personal früh klar macht, dass
schon die geringsten Fehler zumas-
siven Karriereknicks führen kön-
nen, der darf sich nicht wundern,
wenn ein Klima entsteht, in dem
Soldaten vorauseilend nach oben
melden, es sei schon alles in Ord-
nung. Was dann wiederum dazu
führt, dass von oben, wo eigentlich
klar ist, dass nicht immer alles so
in Ordnung ist, wie man sich das
herbeibefiehlt, dann große Überra-
schung demonstriert werden muss,
wenn ein Sumpf sich zeigt.
Dass in einer Organisation mit
gut 170 000 Mitgliedern nicht
immer und zu jeder Zeit alles gut
sein kann, wird jeder vernünftiger
Mensch einsehen. Und an dem,
was in den letzten Wochen und
Monaten an die Oberfläche kam,
gibt es nichts zu beschönigen,
sondern nur Ermittlungsergebnisse und Urtei-
le abzuwarten sowie klare Konsequenzen durch
die Bundeswehr zu zeigen. Rechtsextremismus,
Mobbing, Sexismus und unnötige Härte haben in
der Bundeswehr nichts zu suchen. Das weiß die
Bundeswehr selbst sehr gut, denn die allermeis-
ten Soldaten dieser Armee wollen nur eines: Die
Soldaten dieses Landes, seiner Institutionen und
seiner Bevölkerung sein, weil jeder Soldat dieser
Armee Teil davon ist.
Und wir alle können der Bundeswehr dabei
helfen. Indem wir ihr zeigen, dass wir sie in un-
serer Mitte brauchen und wünschen. Sie ist unser
aller Armee. Wir können sie formen. Wenn wir
Bürger finden, es gibt in ihr zu viele Soldaten von
der falschen Sorte, dann ist es an uns, dafür zu
sorgen, dass mehr von der richtigen Sorte in ihr
dienen. Retten wir Private Schmitz.
„Die Grundausbildung war kein Spaziergang, aber auch weit entfernt von irgendeiner
Hölle. Wenn mir etwas gegen den Strich ging, las ich, was dazu im Soldatengesetz stand
und vertrat dann meinen Standpunkt“, sagt Gregor Weber.
Bundeswehr/Detmar Modes
Es ist eine Binse, dass Dienst in der
Bundeswehr Menschen mit rechtsextremen
Einstellungen anzieht. Es ist aber auch
eine Tatsache, dass in aller Regel nichts so
zuverlässig zu disziplinaren Maßnahmen
bis hin zur Entlassung führt, wie das
Auffäl
ligwerden solcher Einstellungen.
GREGOR WEBER
DIE BUNDESWEHR | JULI 2017
T I T E L : B E R U F S E T H O S
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