

Hier werden Maximalforderungen an mich ge-
stellt, die dem Wesensgehalt einer Demokratie
widersprechen, die auf dem Zweifel und dessen
Klärung in der Diskussion beruht und dazu ein
gewisses Grundvertrauen braucht. Diese Forde-
rungen widersprechen somit demWesensgehalt
der Inneren Führung, die mir als einsatzberei-
tem Soldaten ein „Höchstmaß an Freiheit und
Rechten garantiert“. Und diese Forderungen
widersprechen dem Führen mit Auftrag, das
selbstständiges Handeln in Zweifel und Unsi-
cherheit ermöglichen soll.
In dieser Lage stelle ich an mich den Anspruch,
meine Haltung offen und klar zu vertreten.
Ich erwarte das auch von meinen Kame-
raden – wie auch immer ihre Haltung ist.
Ich erwarte, dass mir der Ausdruck meiner per-
sönlichen Haltung zu Geschichte und Tradi-
tion in und außer Dienst durch von Vertrauen
und Wohlwollen geprägte Leitlinien ermöglicht
wird. Ich erwarte von meiner militärischen Füh-
rung, dass sie mit Aufträgen führt und sich in
der Öffentlichkeit prominent zu Wort meldet.
Ich erwarte von der Politik, dass sie ein Höchst-
maß an „Gedankenfreiheit“ gewährt und sich
persönlich in die Pflicht nimmt, unserer Ge-
neralität so zu begegnen, wie es den Spitzen-
repräsentanten aus unseren Reihen zusteht.
Die Bundeswehr wirbt mit dem Spruch, dass
wir auch dafür kämpfen, dass „Du“ gegen uns
sein kannst. Deutlicher müsste es heißen, dass
„wir“ bereits dafür getötet haben, verwundet
wurden und gefallen sind. Und das trotz eigener
Bedenken, vieler Angriffe aus Politik und Ge-
sellschaft und obwohl die Politik derartige Sze-
narien immer wieder als undenkbar tabuisiert.
Uns Soldaten sollte der dennoch treu geleiste-
te Dienst das Selbstvertrauen und ausreichend
Rechtfertigung verleihen, unsere militärische
Denkweise sowie Kultur und darin eingeschlossen
unser durchaus vielfältiges Verhältnis zur Militär-
geschichte offen und auch gegen den Widerspruch
aus Politik und Gesellschaft zu vertreten. Es gilt
seit jeher: treu gedient – Treue verdient.
Foto: privat
Oberstleutnant i.G. Jan Hoffmann, Chief
Operations Assessment 1. Deutsch-Nieder-
ländisches Korps in Münster
Das Berufsbild des Soldaten hat
sich gänzlich geändert, so auch
der Grundgedanke des „War-
ums?“. Im aktuellen weltpoliti-
schen Geschehen an der Seite
verschiedenster Bündnispartner
müssen wir sowohl in der Lan-
des- und Bündnisverteidigung
als auch in verschiedensten Aus-
landseinsätzen weltweit mit un-
terschiedlichen politischen und
militärischen Vorgaben bestehen
können. Dazu gehört auch ein tie-
fes multikulturelles Verständnis,
da Kooperationen mit nichtmilitä-
rischen, nichtstaatlichen Organisationen durchaus Tagesgeschäft sein können. Die-
ses Aufgabenspektrum, in dem Soldaten nicht nur kämpfen, sondern auch schützen
und vermitteln müssen, ist die Würze des heutigen Berufsbilds.
In meinem Soldatsein treibt mich das Bestreben an, möglichst perfekt und jeder-
zeit den eigenen Auftrag gemäß eigener höchster Maßstäbe zu erfüllen. Dabei ein ob-
jektiver Vorgesetzter zu bleiben, der kritisch evaluierend Aufträge an die Untergebe-
nen weiterleitet, junge Menschen formt und fordert sowie gleichzeitig nicht vergisst,
Mensch zu sein. Nur wenn dieser Multiplikatoreffekt Früchte trägt, kann weiterhin ein
historisch umfassend geschulter, selbstständig denkender Soldatennachwuchs für
die Zukunft aufgebaut werden.
Dem Gedanken, getötet zu werden oder töten zu müssen, sollte sich ein jeder
Berufssoldat bereits sehr früh in der Laufbahn stellen. Ohne eine positiv-kritische
Auseinandersetzung kann ein Soldat seinen Beruf im aktuellen und erwarteten Auf-
gabenspektrum nicht vollständig und professionell versehen.
Oberstleutnant Patric Wurmbach,
AWACS-Pilot
Die Abwechslung und das Ge-
brauchtwerden sind für mich
die entscheidenden Faktoren.
In meinen 28 Dienstjahren hat
sich in den Streitkräften viel
zum Positiven verändert, aller-
dings sind die Herausforderun-
gen sowohl im Einsatz als auch
im Friedensbetrieb erheblich
gewachsen. Das reizt mich und
gleichzeitig fordert es mich her-
aus – ich benötige als Soldat ge-
nau diese Elemente, um selbst
weiter wachsen zu können.
Unser Berufsbild ist klar skiz-
ziert und sollte auch das Fundament unserer persönlichen Berufseinstellung als Sol-
dat sein. Man muss um die Risiken wissen, damit man professionell seinen Dienst
versehen kann. Aus großer Verantwortung, gerade als Soldat im Einsatz, erwächst
die Pflicht eines umsichtigen Verhaltens auch unter erschwerten Bedingungen. Dafür
sind wir ausgebildet und das müssen wir unseren jungen anvertrauten Soldaten im-
mer wieder vor Augen führen, damit die Kehrseite der Medaille präsent ist und auch
zur Bildung eines sich ständig weiterentwickelnden Selbstverständnisses führt.
Mich haben als junger Soldat meine Vorgesetzten geprägt und als Vorbilder ange-
leitet. Das hilft mir auch heute noch, meinen persönlichen Wertekompass auszuloten.
Wer mir Gradlinigkeit, Verlässlichkeit, gelebte Kameradschaft und das nachdrückli-
che Einstehen für seine Untergebenen zeigt, ist für mich ein Vorbild.
Hauptmann Raimund Heilig,
Leiter BwFachSBetrSt
DIE BUNDESWEHR | JULI 2017
T I T E L : B E R U F S E T H O S 39