

finden müssen. Ich bin davon überzeugt, dass vie-
le Inhalte der Inneren Führung schon heute für
alle Angehörigen der Bundeswehr Richtschnur
für ihr Handeln sein können.
Hat sich das Berufsethos der Soldaten gewan
delt, wenn Sie Ihre Praxiserfahrung mit Lehr
gangsteilnehmern heranziehen?
Die Gesellschaft unterliegt seit jeher auch einem
Wertewandel, der Soldatinnen und Soldaten als
Teil dieser Gesellschaft mitprägt. Dieser Werte-
wandel wird auch am Zentrum Innere Führung
ganz deutlich in den Diskussionen und Rückmel-
dungen unserer Lehrgangsteilnehmenden erkenn-
bar. Das Kernverständnis soldatischen Dienens,
das sich letzten Endes auf die Bereitschaft zum
Kampf fokussiert, bleibt davon unberührt. Unab-
hängig davon werden heute deutlich stärker die
bessere Vereinbarkeit und der verträgliche Aus-
gleich unterschiedlicher Rollenerwartungen und
damit verbundener Werteordnungen gefordert:
Soldatinnen und Soldaten sind gleichzeitig auch
Eltern, Partner, Vereinsmitglieder und andere so-
ziale Rolleninhaber sowie Funktionsträger. Dieses
manchmal als Spagat empfundene Spannungsfeld
muss durch Maßnahmen der Inneren Führung,
insbesondere imFürsorge- und Betreuungsbereich,
gemildert oder abgebaut werden. Entscheidend ist
dabei, wie wir miteinander umgehen. Wertschät-
zung und Vertrauen sind hier die Schlüssel.
Glauben Sie, dass in zwei Jahren eine tief grei
fende Weiterentwicklung, wie von der Ministe
rin angewiesen, möglich ist?
Eine tief greifende Weiterentwicklung bleibt ja
nicht folgenlos bei sich selbst stehen, sondern zielt
auf eine umfassende Vermittlung und nachhalti-
ge Umsetzung der Gedanken und Maßnahmen,
wie sie durch den Prozess „Innere Führung heu-
te“ angestoßen wurden. Innere Führung lebt seit
jeher von glaubwürdigen Vorbildern und von der
Mitgestaltung durch alle Angehörigen der Bun-
deswehr. Wenn der allgemeine Wille, von oben
beginnend, dazu vorhanden ist, kann in zwei Jah-
ren sehr viel erreicht werden. Entscheidend ist die
Beantwortung der Fragen, was unsere Führungs-
kräfte auf allen Ebenen daran hindert, ihren
Auftrag bestmöglich auszuführen, und was die
jeweils höhere Führungsebene dann tun kann,
um diese Hindernisse aus dem Weg zu räumen.
Der von Ministerin von der Leyen angestoßene
Prozess soll genau zu diesen Fragen Antworten
liefern. Dabei geht es in einem ersten Schritt von
unten nach oben über alle Führungsebenen um
eine klare Lagefeststellung, dann erfolgt die Be-
wertung und Entwicklung von Maßnahmen. Der
letzte Schritt ist dann die Umsetzung dieser Maß-
nahmen von oben nach unten und – nach einer
noch festzulegenden Zeit – die Überprüfung, ob
die Maßnahmen wirken.
Hätte dieser Anstoß früher erfolgen müssen?
Innere Führung, und damit wiederhole ich mich,
muss authentisch gelebt werden. Die in den letz-
ten Monaten bekanntgewordenen Verstöße ge-
gen die Grundsätze der Inneren Führung haben
unser Bewusstsein dafür noch einmal geschärft.
Unabhängig davon läuft unser Weiterentwick-
lungsprozess auch ohne negative Schlagzeilen
kontinuierlich. Als wir das Weißbuch 2016 in
Hinblick auf Weiterentwicklungsbedarf für die
Innere Führung auswerteten, fand das vor dem
Bekanntwerden dieser negativen Ereignisse statt.
Die Bundesministerin der Verteidigung hatte
bereits im Juni 2106 anlässlich des 60-jährigen
Bestehens des Zentrums Innere Führung weg-
weisende Ausführungen zur künftigen Rolle und
Aufgabe der Inneren Führung gemacht. Insofern
liegt hier kein verspäteter Anstoß vor.
Ist es, wie etwa unser Verband meint, auch ein
Problem der zeitlichen Ressourcen?
Das richtige Verhältnis von Kräften und Res-
sourcen zum erteilten Auftrag ist tatsächlich
ein Problem. Vorgesetzte finden heute aufgrund
von Bürokratie, Auftragsdichte und digita-
len Beschleunigungsprozessen immer weniger
Zeit, sich um die ihnen anvertrauten Menschen
ausreichend zu kümmern. Das ist für mich der
Schlüssel. Wir brauchen auf allen Ebenen mehr
Zeit für Führung. Innere Führung muss gelebt,
erlebt und vorgelebt werden. Das geht durch den
persönlichen Austausch, nicht durch E-Mail und
Massenger oder ähnliches, und sei es auch noch so
bequem oder opportun. Wir müssen die Zeit für
Führung wiedergewinnen, ohne Einbußen in der
Qualität der Auftragserfüllung zu erleiden. Hier
sind politischer Wille ebenso wie Kreativität vor
Ort gefordert.
Gefordert sind auch Wahrhaftigkeit, die Be-
reitschaft, aus Fehlern zu lernen, das Zurückfah-
ren von Absicherungsdenken und das klare An-
sprechen, was geht und was nicht geht, was sich
gehört und was sich nicht gehört. Mit Blick auf
die politische Bildung: Sie muss nicht immer als
Unterrichtsstunde stattfinden; sie kann manch-
mal viel eindrücklicher im persönlichen Pausen-
gespräch oder bei der Dienstaufsicht erfolgen.
Aber richtig und wichtig bleibt: Wir brauchen
wieder mehr Zeit zum Führen, weniger zum Ver-
walten.
Welche Rolle sollten die militärische und die
politische Führung bei diesem Weiterentwick
lungsprozess spielen?
Keine andere Rolle als die, die ohnehin schon
immer von ihr gefordert ist: Beispiel geben von
oben nach unten, glaubwürdig vorleben, durch
das eigene Verhalten überzeugend vorleben. Da-
bei ist es nicht von Nachteil, auch einmal Begeis-
terung für die Sache zeigen und die Grundsätze
der Inneren Führung im täglichen Dienst, in
Ausbildung und Lehre ebenso wie im Einsatz sys-
tematisch bis zum kleinsten Dienstgrad hinunter
zu vermitteln. Wenn wir das im großen Rahmen
und mit langem Atem schaffen, dann haben wir
die Innere Führung mit Leben erfüllt.
Das
Zentrum Innere Führung
hat als zentrale Bil-
dungseinrichtung der Bundeswehr den Auftrag, die
Konzeption der Inneren Führung beständig weiter-
zuentwickeln sowie praxisorientiert aufzubereiten
und inhaltlich zu vermitteln. Das Portfolio bein-
haltet sowohl Angebote an den Standorten Koblenz
und Strausberg als auchMaßnahmen vor Ort in der
Truppe.
Xeri atesequi nam fugia dolupta nos quatiam nectem quatur?Duntion non re Pitiis aut qui volest parupta spele-
sequo ides aciet eos pratur sit optatem fugit la cupta conseque conecat isquuntiis ipitibus,
Generalmajor
Reinhardt Zudrop
Was den Beruf des Marinesoldaten aus meiner Sicht
ausmacht, ist die Vielseitigkeit, die jedem Besatzungs-
mitglied eines deutschen Marineschiffs abverlangt wird.
Man lernt durch die Einsätze neue Menschen und Orte
kennen, wird in der Gemeinschaft an Bord gefordert und
befindet sich durch die stete Anpassung an neue Situati-
onen in einem ständigen Lernprozess.
Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee und ihre Sol-
daten sind Staatsbürger in Uniform. Das ist insofern von
Bedeutung, als es zwar eine Hierarchie innerhalb des Mi-
litärs gibt, die Soldaten aber auch Mitbestimmungsrech-
te haben. Fragt man mich nach meinen Motiven, weshalb
ich notfalls bereit bin, mein Leben zu riskieren, so ist die
Antwort relativ simpel: Ich mag meinen Beruf und gehe auf in dem, was ich tue. Die hohe
Identifikation und die Vielseitigkeit des Berufs als Marinesoldat sind mein beruflicher An-
trieb.
Diese Einstellung gegenüber dem Dienst und dem Dienstherrn verdanke ich meinem ehema-
ligen ersten Offizier, der eine unglaubliche Führungsstärke zeigte, gerade weil er andere in
seine Entscheidungsprozesse einbezog.
Obermaat Silvio Dörge, Fregatte „Schleswig-Holstein“
Foto: DBwV/Hepner
DIE BUNDESWEHR | JULI 2017
T I T E L : B E R U F S E T H O S 35