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Wir brauchen auf allen Ebenen
mehr Zeit für Führung
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DIE BUNDESWEHR | JULI 2017
Die Bundeswehr:
Die Innere Führung galt immer
als Vorzeigekonzept. Ist es überholt?
Generalmajor Reinhardt Zudrop:
Nein, im Ge-
genteil. Die Innere Führung war von Anfang an
bewusst dynamisch und zukunftsfähig angelegt.
Sie verfügt über Konstanten und Variablen. Neue
Entwicklungen und Herausforderungen in allen
Bereichen erfordern eine beständige Weiterent-
wicklung, vor allem in den drei hauptsächlichen
Gestaltungsfeldern der Inneren Führung: Men-
schenführung, Politische Bildung sowie Recht
und soldatische Ordnung. Das Zentrum Innere
Führung war sich der Notwendigkeit dieser Wei-
terentwicklung immer bewusst und hat bis heute
die entsprechenden Antworten und Angebote
entwickelt.
Wenn die Führungskultur nicht mehr passt,
woran könnte das liegen? Hat sich die Bun
Generalmajor Reinhardt Zudrop, seit Juni 2016 Kommandeur des Zentrums Innere Führung, spricht im
Interview über Aktualität, Werteentwicklung und Umsetzung der Inneren Führung
deswehr derart verändert oder die Menschen
in ihr?
Insgesamt passt unsere Führungskultur immer
noch, auch den Vergleich mit anderen Organisa-
tionen brauchen wir nicht zu scheuen. Natürlich
entwickeln und verändern sich Menschen wie
Organisationen und ihre Umwelt gleichermaßen.
Denken Sie an das Ende des Kalten Kriegs, den
Übergang zur Einsatzarmee Bundeswehr, die
Übernahme von Personal der Nationalen Volks-
armee, das Aussetzen der Wehrpflicht und ande-
res mehr. Der wesentliche Punkt dabei ist, dass
die Führungskultur mit ihren Gestaltungsfeldern
auf diese Veränderungen die richtigen Antworten
und nachhaltige Lösungen findet.
Ein weiteres Beispiel ist die Versorgung von
Einsatzteilnehmern. Hier hat die Innere Füh-
rung im Aufgabenverbund und übrigens gemein-
sam mit dem Deutschen BundeswehrVerband
das notwendige Bewusstsein in der Politik ge-
schaffen, um versorgungsrechtliche Defizite zu
beheben. Auch das ist ein Stück glaubwürdige
Führungskultur mit konkreten Maßnahmen für
die betroffenen Menschen.
Welchen Einfluss hat der Wandel zur Ein
satzarmee?
Die Einsatzrealität hat ohne Zweifel rasch neue
Fragen und Themen geschaffen oder bereits be-
kannteThemen in den Fokus gerückt. DasThema
der Legitimation von militärischer Gewalt – in
politischer, rechtlicher und ethischer Hinsicht –
ist als Ziel der Inneren Führung mit demWandel
der Bundeswehr zu einer Einsatzarmee ein tref-
fendes Beispiel für diesen Einfluss. Oder denken
Sie an die Drohnendiskussion, die wir auch mit
Fragestellungen zur Führungskultur verknüpft
haben.
Im Zusammenhang mit dem Thema „Einsatz“
ist mir eines auch besonders wichtig: Der biswei-
len gehörte Vorwurf, Innere Füh-
rung tauge nicht für den Einsatz,
trifft nicht zu. Gerade im Einsatz,
gerade wenn es darauf ankommt,
spielen Werte und Vertrauen eine
ganz entscheidende Rolle. Und das
ist nichts anderes als der Kern der
Inneren Führung.
Welche Rolle spielt die Innere
Führung für den heutigen Sol
daten?
Die Innere Führung als werteori-
entierte Führungskultur bleibt für
unsere Soldatinnen und Soldaten
nach wie vor die Leitlinie ihres Han-
delns. Da dieWerte und Normen des
Grundgesetzes sowie die zeitlosen
soldatischen Tugenden unverändert
Gültigkeit besitzen, bleibt auch die
Innere Führung mit ihrem ethischen
Fundament der moralische Kompass
und die Richtschnur für den Dienst
in den Streitkräften. Eine andere
Herausforderung stellt hingegen die
Entwicklung einer Führungs- und
Organisationskultur der Bundes-
wehr dar, in der alle Angehörigen der
Bundeswehr, ob mit oder ohne Uni-
form, eine gemeinsame Grundlage
Innere Führung hat ein Zuhause: Plakat vor dem Gebäude des Zentrums Innere
Führung der Bundeswehr in Koblenz
Foto: dpa/picture alliance
T I T E L : B E R U F S E T H O S
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