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Investigativgremium. Er hat eine grundsätzlich

andere Funktion als der Verteidigungsausschuss

und der Wehrbeauftragte.

Er tagt im Regelfall quartalsweise in Vollsit-

zungen. Die Ereignisse der letzten Monate waren

sowohl im Beirat als auch in den verschiedenen

Arbeitsgruppen Thema. Dabei konnten wir auf

Informationen aus dem BMVg zurückgreifen.

Sowohl mit der Ministerin als auch mit dem

Generalinspekteur haben wir uns zeitnah ausge-

tauscht. Nach dem Interview der Ministerin am

30. April, das ja kontrovers diskutiert worden ist,

hatte die Ministerin den Beirat zu einem sehr in-

tensiven Gespräch eingeladen.

In Abhängigkeit der weiteren Beratungen im

Beirat ist es durchaus denkbar, dass der Beirat

der Ministerin eine Empfehlung übergibt, um die

Frau Ministerin auch ausdrücklich gebeten hat.

Der Beirat ist regelmäßig bei der Truppe. Wurde

ihm da nicht das Spannungsverhältnis zwi­

schen Aufträgen und fehlendem Personal bei

gleichzeitig unflexibler SAZV vorgetragen?

Der Beirat hat Gespräche in allen Teilstreitkräf-

ten geführt und die darin gewonnenen Erkennt-

nisse in Empfehlungen an die Ministerin zusam-

mengefasst. Bei dem Evaluationsprozess im Zuge

der Einführung der SAZV hat sich der Beirat

ebenfalls intensiv eingebracht. Verschiedene Im-

pulse des Beirats sind auch aufgegriffen worden.

Da diesesThema aber noch nicht abgeschlossen

ist, wird der Beirat intensiv darauf drängen, dass

Ausbildungsvorgaben für ethische und politische

Bildung auch bei einer knappen Zeit nicht einge-

schränkt werden.

Nun ist viel Vertrauen verloren gegangen. In die

Ministerin, die militärische Führung und die

Bundeswehr als Ganzes. Wie sollte das BMVg in

den nächsten Wochen agieren?

Die missverständlichen Äußerungen im Fern-

sehinterview am 30. April hat die Ministerin

selbst zurechtgerückt.

Mir ist wichtig, die gewonnenen Informatio-

nen der letzten Wochen in Ruhe zu analysieren,

um danach, wenn notwendig, die erforderlichen

Schritte einzuleiten. Mit der Fortschreibung des

Traditionserlasses und dem unter Leitung des

Generalinspekteurs stehenden Programms „In-

nere Führung heute“ wurden geeignete Schritte

unternommen, in die der Beirat eingebunden ist.

Ein Ziel der Inneren Führung ist Integration

von Bundeswehr und Gesellschaft. Nun ist das

Vertrauen der Gesellschaft in die Bundeswehr

im letzten Deutschlandtrend um zehn Prozent

gesunken. Was kann der Beirat tun, um diese

schwierige Situation für eine Freiwilligenarmee

zu verbessern?

Es ist ärgerlich, dass durch die Vorkommnisse der

letztenMonate das Ansehen der Bundeswehr ins-

gesamt beschädigt worden ist.

Der Beirat ist aber überfordert, alle Rahmen-

bedingungen, die dazu beigetragen haben, ad hoc

zu ändern. Für uns steht imMittelpunkt: die Per-

sonalgewinnung in einem schwierigen demogra-

fischen Umfeld und die Frage der Haushaltslage.

Wir werden aber auch dazu beitragen, dass eine

gesellschaftliche und politische Diskussion ge-

führt wird über die Verteidigung unserer Werte

und wie wir hierfür die Rahmenbedingungen so

gestalten können, dass ein Dienst in der Bundes-

wehr als attraktiv wahrgenommen wird.

Im Kern ist die Bundeswehr überlastet, auf­

grund unzähliger Reformen fehlt Orientierung.

Könnten Sie sich temporär eine Reduzierung

des internationalen Engagements mit Blick auf

die Einsätze vorstellen, vielleicht im Sinne eines

Orientierungshalts oder einer Art operativer

Pause?

Natürlich würde ich der Truppe einen „Orientie-

rungshalt“ gerne gönnen; die globale sicherheits-

politische Lage wird dies allerdings nicht erlauben.

Unabhängig davon bin ich aber fest davon

überzeugt, dass unsere Soldatinnen und Soldaten

und die zivilenMitarbeiterinnen undMitarbeiter

der Bundeswehr insbesondere in den Einsätzen

einen hervorragenden Beitrag für unsere Sicher-

heit leisten.

Was wünschen Sie der Bundeswehr für die

nächste Legislaturperiode?

Eine Diskussion über Auftrag und Struktur in

einer sich dramatisch ändernden Weltlage nicht

nur in den Fachgremien, sondern auch im parla-

mentarischen Bereich und in der Öffentlichkeit.

Parlamentarischer

Staatssekretär

a.D. und Sprecher

des Beirats Innere

Führung sowie Leiter

der Arbeitsgruppe

„Ethisch-Politische

Bildung“: Thomas

Kossendey

Seefahrt und meinem Land zu dienen, das macht der

Soldatenberuf für mich aus. Bereits während der Schul-

zeit wollte ich zur See fahren, da ich an der Eckernförder

Bucht aufgewachsen bin. Dazu kommt die Kamerad-

schaft, die Zusammengehörigkeit und insbesondere die

Möglichkeit, immer wieder einen Zugang zu anderen

Menschen zu finden. Drittens – und das ist jenen, die

die Bundeswehr nicht oder lediglich oberflächlich kennen, weniger bewusst – kann ich

mich als Mensch in der Bundeswehr trotz vieler Einschränkungen sehr vielfältig selbst

verwirklichen.

Töten und getötet werden war früher kollektiv. Als Frontstaat des Kalten Kriegs ging

es für uns um eine existenzielle Bedrohung aller – auch und insbesondere der Zivilbevöl-

kerung. Das ist anspruchsvoller geworden, weil Verwundung, Tod und Töten jetzt auch in

einem anderen Zusammenhang erfolgen. Wir begeben uns in Gefahr und sind mandatiert

zu töten, um weiterhin unser Land und Bündnis zu verteidigen, genauso aber auch um

Staatsziele wie den Erhalt des Friedens außerhalb Europas umzusetzen. Die grundsätzli-

che Entscheidung für mich lautet weiterhin, diesem Staat uneingeschränkt zu dienen. Ich

muss mich allerdings mit dem Soldatsein heute intensiver und kontinuierlicher beschäfti-

gen.

Mich treibt an, eine gute Bundeswehr zu gestalten, in der Menschen gerne dienen und

sich verwirklichen können. Aktuell arbeite ich mit meinem Team daran, die Marine der

kommenden Dekade auszugestalten, die nach unserer Einschätzung kampfkräftig, attrak-

tiv und modern sein wird, nachdem wir derzeit in Einsätzen stark gefordert sind und die

Trendwenden dringend benötigen.

Flottillenadmiral Ulrich Reineke,

Abteilungsleiter Planung im Marinekommando

Foto: dpa/picture alliance

DIE BUNDESWEHR | JULI 2017

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