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Berufsethos in der Einsatzrealität

DIE BUNDESWEHR | JULI 2017

Von Rainer Glatz

Mit dem Begriff des „Berufsethos“ verbindet

man im Allgemeinen sittliche und moralische

Grundsätze, die das Handeln einer bestimmten

Berufsgruppe bestimmen. Dabei geht es nicht

zwangsläufig um staatliche Gesetze, sondern um

hohe sittliche Vorstellungen vom Wert und von

den Pflichten eines Berufs.

Soldatisches Berufsethos und Selbstverständ-

nis im 21. Jahrhundert müssen sich nach meinem

Verständnis stets ausdrücklich, auch in Bezug

auf die Auslandseinsätze, aus Artikel 1, Absatz

1 unseres Grundgesetzes ableiten: „Die Würde

des Menschen ist unantastbar, sie zu schützen

und zu achten, ist Verpflichtung aller staatlichen

Gewalt.“ Dies spiegelt sich folgerichtig in der

Wehrgesetzgebung und im Konzept der Inneren

Führung wider.

Folgt man den sich daraus ergebenden Ver-

pflichtungen, muss das in zweifacher Hinsicht

Konsequenzen haben: erstens für das Handeln

nach innen, bezogen auf Führungsverständnis

und -kultur – also die Auftragstaktik und die

Prinzipien der Inneren Führung – und zweitens

Hat sich das soldatische Berufsethos der Bundeswehr in den Auslandseinsätzen bewährt?

für das Handeln nach außen, bezogen auf das

Verhalten gegenüber der Bevölkerung in den Ein-

satzgebieten.

Jeder, der Entscheidungen im oder für den Ein-

satz trifft, muss sein Handeln/Nicht-Handeln

ehrlich reflektieren und darf sich den Folgen seines

Tuns in ethischer Hinsicht nicht entziehen. Dabei

ist ein klarer moralischer Kompass im Sinne eines

gefestigtenWerteverständnisses unverzichtbar.

Dies hat auch Auswirkungen bei der Auswahl

für Führungsfunktionen. Es ist unerlässlich, ne-

ben der fachlichen Qualifikation die charakterli-

Foto: dpa

Deutsche Soldaten in Afghanistan 2010 (Archivfoto): Selbst in Gefechtssituationen darf der

moralische Kompass nicht verloren gehen.

Insgesamt ist der

ethische Anspruch an

den Soldaten heute

höher als je zuvor.

RAINER GLATZ

che Eignung zu bewerten. Denn: Führen im Ein-

satz stellt in beiden Bereichen höchste Ansprüche

an den Vorgesetzten.

Neben materiellen Anreizen ist im militä-

rischen Alltag die Führungskultur ein ganz

bedeutender Aspekt. Die Bundeswehr gilt als

glaubwürdig und hoch angesehen. Man traut ihr

zu, deutsche Interessen weltweit angemessen zu

vertreten. Die militärischen Führer haben damit

das erforderliche Vertrauen, um gemäß Auftrags-

taktik handeln zu können. Dies erfordert strikte

Vorgaben nur dort, wo unabweisbar erforderlich.

Es sollte Vertrauensvorschuss und Fehlertoleranz

auf allen Führungsebenen geben. Vor allem bei

der Fehlertoleranz ist noch deutlich Raum für

Verbesserung gegeben.

Diese Führungskultur (mitmenschliches Zu-

sammenhandeln) gilt für Einsatz und Heimat-

dienst gleichermaßen. Die Wahrnehmung der

Bundeswehr von außen, ihre Attraktivität als

Arbeitgeber, hängt ganz wesentlich von diesem

positiven Umgang miteinander ab.

Angesichts der gegenwärtigen Diskussion zu

den „Bundeswehrskandalen“ in Verbindung mit

T I T E L : B E R U F S E T H O S

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