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Es schickt sich

schlicht nicht,

sich intensiv mit

demMilitär zu

beschäftigen.

CHRISTIAN THIELS

Das alles ist wenig hilfreich, wenn man das gesell-

schaftliche Gesamtklima betrachtet. Auch wenn

die Bundeswehr von großen Teilen der Deut-

schen zwar überwiegend desinteressiert, aber im

Grunde eher wohlwollend betrachtet wird, so

herrscht hierzulande doch ein tief verwurzelter

struktureller Pazifismus. Die Jahrhundertverbre-

chen der Nazis wirken bis heute nach. Das hat zu

einer gewissen Skepsis gegenüber Militär generell

und natürlich auch militärischen Interventionen

geführt. Dass Deutschland bei solchen Einsätzen

heute nicht als erster den Finger hebt, ist nichts,

was man beklagen sollte. Im Gegenteil – es ist

auch im Sinne der Soldaten, wenn Politiker und

1994 in die Bundeswehr eingetreten, wurde mir sehr früh klar, dass unser Beruf

nicht nur Befehl und Gehorsam, sondern auch Selbstständigkeit, Teamfähigkeit,

Empathie und „füreinander da sein“ verlangt. Eben diese Eigenschaften und

Tugenden machen für mich nach wie vor den Beruf des Soldaten aus. Dieses

Berufsbild bewog mich dann auch, die Laufbahn der Portepeeunteroffiziere

einzuschlagen und Berufssoldat zu werden.

Im Rahmen meines ersten Auslandseinsatzes musste ich mich gezielt mit dem

Gedanken auseinandersetzen: „Kannst du wirklich auf Menschen schießen?“ Eine

Vorstellung, über die ich bis dahin nicht hatte nachdenken wollen. Aber wir sind

eben keine „Mörder“, sondern Menschen, die auf eine besondere Weise ihrem

Land dienen wollen. Das kann in letzter Konsequenz auch bedeuten, auf Men-

schen zu schießen und sie gegebenenfalls sogar zu töten. In meinen bisherigen

acht Einsätzen auf dem Balkan und in Afghanistan stellte ich außerdem fest,

dass Leid und Bedrohung nicht so weit von uns entfernt sind, wie man es sich im

Alltag in Deutschland oft vorstellt.

Aber auch mit diesen Einsatzerfahrungen lernte ich meine Arbeit als Soldat

weiter schätzen – vor allem, weil ich mit meiner Arbeit den Einsatzsoldaten und

deren Angehörigen die Zeit der Trennung und Entbehrungen etwas angenehmer

machen kann. Das war und ist immer noch Anspruch und Motivation, auch noch

nach 23 Dienstjahren beim Truppenbetreuungssender „Radio Andernach“.

Stabsfeldwebel Michael Faßbender, Radio Andernach, ZOpKomBw

Wie in meinem Fall kann der Beruf eines Soldaten die verschiedensten Verwen-

dungen mit sich bringen. Ich hatte das Glück, dass ich verschiedene Tätigkeiten

an unterschiedlichen Standorten erleben durfte, darunter auch eine dreijährige

Verwendung im Ausland bei der Nato.

Gedanken über Tod und Verwundung machte ich mir erst, als mein erster Ein-

satz in Afghanistan bevorstand. Damals wurde mir erst richtig bewusst, welcher

Gefahr ich mich unter Umständen aussetzen muss. Jeder Soldat sollte sich

dessen und auch eventueller Folgen deutlich bewusst sein.

Mich treibt an, meine Pflicht als Bürger in Uniform gegenüber unserer Gesell-

schaft zu leisten. Als junger aufstrebender Unteroffizier hatte ich viele ältere

Kameraden, die mir als Vorbild dienten und meinen Werdegang geprägt haben,

wofür ich sehr dankbar bin. Ich bin der festen Überzeugung, dass jeder, der sich

mit dem Beruf des Soldaten auseinandersetzt und durch korrektes Auftreten und

Verhalten überzeugt sowie jeden einzelnen Menschen schätzt, als Vorbild dienen

kann.

Oberstabsbootsmann Manfred Müller, Abteilung Einsatz, ZOpKomBw

Für mich persönlich ist der Soldatenberuf einer der abwechslungsreichsten Beru-

fe überhaupt. Neben einer fachlichen Tätigkeit, auf die jeder Soldat spezialisiert

ist, gibt es unzählige Fähigkeiten, vom Sport bis zur Einsatzausbildung, die von

einem Soldaten gefordert werden.

Ordnung, Disziplin und Kameradschaft sind für mich selbst und auch in mei-

nem privaten Umfeld wichtige und entscheidende Faktoren, die meinen Beruf als

Soldat ausmachen. Mich treibt an, jeden Tag im Rahmen meines Dienstes etwas

für unsere Gesellschaft und mein Vaterland zu tun.

Berufliche Vorbilder kann ich nicht an einzelnen Personen festmachen. Jeder

Soldat, der unter Gefahr für Leib und Leben seinen Dienst in der Bundeswehr

versieht, ist für mich ein Vorbild.

Stabsfeldwebel Sascha Anders, Abteilung Führung, ZOpKomBw

Oberstabsbootsmann

Manfred Müller,

Stabsfeldwebel

Michael Faßbender

und Stabsfeldwe-

bel Sascha Anders

(v.l.n.r.)

Christian Thiels in Afghanistan

Bürger das Militär nur als äußerstes Mittel zur

Lösung internationaler Konflikte begreifen.

Doch um eine realistische Vorstellung davon zu

haben, was Militär dabei leisten kann, muss man

es kennen. Nur wer beurteilen kann, welche Mis-

sion mit welcher Ausrüstung Sinn macht, kann

auch differenziert und sachgerecht darüber be-

richten. Das erfordert von den Journalisten eine

intensivere Beschäftigung auch mit dieser frem-

den, militärischen Welt und ihren Bewohnern,

den Soldaten. Aber auch die Bundeswehr selbst

ist gefordert. Sie muss offener, transparenter wer-

den, besser kommunizieren und erklären. Und sie

muss lernen, auch selbstbewusst und kritisch auf

die Grenzen ihrer Möglichkeiten hinzuweisen –

selbst wenn man sich bei manchen Politikern mit

dieser Form der Ehrlichkeit unbeliebt macht.

Christian Thiels

ist Verteidigungsexperte

bei der „Tagesschau“.

DIE BUNDESWEHR | JULI 2017

T I T E L : B E R U F S E T H O S 23