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Der Soldat, das unbekannte Wesen
DIE BUNDESWEHR | JULI 2017
Von Christian Thiels
Ob Pfullendorf, Bad Reichenhall oder Franco A.
– immer, wenn es schlechte Nachrichten aus der
Bundeswehr gibt, dann sind auch sie wieder da: all
die „Hab-ich-doch-schon-immer-gewusst“-Ko-
lumnisten und die „Typisch-Bundeswehr“-Kom-
mentatoren. Misshandlungen, Sexismus, Rechts-
radikalismus – typisch Streitkräfte? Das Image
der Truppe ist nicht sonderlich berauschend –
das gilt vor allem für die mediale Wahrnehmung.
In repräsentativen Umfragen unter den Bürgern
wird die Bundeswehr regelmäßig besser bewertet
als es die Berichterstattung in Fernsehen, Radio
und Netz glauben macht. Doch warum ist das so?
Erst einmal liegt es am grundsätzlichen Auf-
trag von Medien. Sie sollen eben keine Jubel-
botschaften verbreiten, sondern den Finger in
die Wunde legen. Das gehört zum Wesenskern
der freien Presse – und zur Professionalität von
Journalisten. Doch das erklärt nicht die Zu-
rückhaltung, die bei vielen Medienschaffenden
mitschwingt, wenn es um sicherheitspolitische
Themen ganz allgemein und die Bundeswehr im
Besonderen geht. Da wäre erst einmal die Tatsa-
che, dass nur wenige Redakteure und Reporter
eigene Erfahrungen mit den Streitkräften haben
– etwa als Wehrpflichtige. Es herrscht weitver-
breitete Unkenntnis und die gehört für manche
Medienschaffende gar zum guten Ton. Es schickt
sich schlicht nicht, sich intensiv mit dem Militär
zu beschäftigen. Die Bundeswehr – immer noch
oft ein „Igitt“-Thema. Wer zur seltenen Spezies
Foto: action press
derjenigen Journalisten gehört, die einen „Fuchs“
von einem „Luchs“ unterscheiden können und
sich gar mit Uniformen, Kampfjets und Fregat-
ten auskennen, wird von den Kollegen als skurril,
manchmal gar als suspekt betrachtet.
Für alle anderen ist der Soldat allzu oft ein
unbekanntes Wesen und die Bundeswehr eine
seltsam-männerbündlerische Welt mit kurio-
sem Vokabular, mit Waffen und Uniformen, mit
stumpfem Befehl und Gehorsam, eine Organi-
sation, in der der eigene Wille und der mündige
Bürger wenig zählen und in der Menschen zu
Killern ausgebildet werden. Solche Vorurteile
und Klischees sind weitverbreitet und manchmal
tut auch die Bundeswehrführung selbst ihren
Teil dazu, dass sie nicht verschwinden und dass
das Verständnis für die Streitkräfte und ihre
Soldatinnen und Soldaten eher unterentwickelt
bleibt. Etwa, indem Pressesprecher eher wie
Presseschweiger handeln und miserabel mit der
Öffentlichkeit kommunizieren. Oder indem die
Bundeswehr häufig diejenigen fördert, die lieber
bequeme Befehlsempfänger als kritisch-selbst-
bewusste Staatsbürger in Uniform sind. Oder
indem das Ministerium versucht, per Maul-
korberlass den Dialog zwischen Streitkräften,
Politik sowie Medien und damit letztlich auch
der Gesellschaft zu beschränken, manche sagen
zu unterbinden. Oder indem die Bundeswehr
vor allem in den Dienst der persönlichen Karri-
ere-Ambitionen der jeweiligen politischen Spitze
gestellt wird.
Eine „seltsam-männer-
bündlerische Welt mit
kuriosem Vokabular,
mit Waffen und Uni-
formen“
Die Bundeswehr muss
den Dialog mit der
Gesellschaft suchen,
offener und transpa-
renter kommunizieren.
Vorurteile und Klischees sind weitverbreitet und auch die Bundeswehrführung
selbst trägt dazu bei, dass sie nicht verschwinden
Foto: Bundeswehr/Weber
T I T E L : B E R U F S E T H O S
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