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Über Korpsgeist und Kampftruppen
DIE BUNDESWEHR | JULI 2017
Von Marcel Bohnert
Zu Beginn des Jahres ist die Bundeswehr wegen
fragwürdiger Ausbildungspraktiken und mar
tialischer Aufnahmerituale am Ausbildungs
zentrum Spezielle Operationen im badenwürt
tembergischen Pfullendorf ins Kreuzfeuer der
öffentlichen Kritik geraten. Daraufhin wurden
der Kommandeur und die verantwortlichen Aus
bilder von ihrer Verantwortung entbunden und
versetzt. Der Leiter des Referats Innere Führung
im Bundesministerium der Verteidigung musste
ebenfalls gehen. Fünf von sieben der Misshand
lung beschuldigten Soldaten wurden fristlos aus
der Bundeswehr entlassen. Nur ein Ausschnitt
aus einem umfangreichen Maßnahmenpaket, das
den unbedingten Willen der Bundeswehrfüh
rung unterstreicht, konsequent gegen chauvinisti
sches, verachtendes und demütigendes Verhalten
vorzugehen. Generalmajor Walter Spindler war
in Zusammenhang mit den Missbrauchsfällen in
Pfullendorf ebenfalls ins Visier geraten und wur
Eine harte und fordernde Ausbildung ist wesentlich, wenn die Soldaten in der
Einsatzrealität bestehen sollen. Sie ist jedoch kein Freibrief für eine hemmungslose
Entfesselung militärischer Gewalt.
de nun mit Bekanntwerden von Verfehlungen
zweier Soldaten im thüringischen Sondershausen
als Kommandeur des Ausbildungskommandos
Heer abgelöst.
Soldatische Härte als
Konsequenz aus den
bekanntgewordenen
Fällen von offenkundigem
Fehlverhalten per se als
unnötig abzutun, ist ein
gravierender Fehler.
MARCEL BOHNERT
Angesichts dieser Entwicklungen stellt sich die
Frage, ob der Korpsgeist in der Truppe wirklich
so verroht ist, wie er sich gerade öffentlich dar
stellt. Verbale Entgleisungen in Sondershausen
wie jene, dass Unteroffizieranwärter „genetischer
Abfall“ wären, der „endlich aussortiert“ werden
müsse, sind ohne Zweifel aus der Zeit gefallen
und haben in der Bundeswehr nichts verloren.
Soldatische Härte als Konsequenz aus den be
kanntgewordenen Fällen von offenkundigem
Fehlverhalten per se als unnötig abzutun, ist je
doch ein gravierender Fehler.
Im Gegenteil: Ihr in der Ausbildung von Sol
datinnen und Soldaten genügend Platz einzuräu
men ist wesentliche Voraussetzung dafür, dass sie
auch unter den Härten der Einsatzrealität beste
hen können. Wenn es in den deutschen Streitkräf
ten eine unbestrittene Lehre des Kampfeinsatzes
in Afghanistan gibt, dann diese. Diejenigen, die
das verkennen, sind in einem neuen Sinne ewig
gestrig. Sie haben offenbar vergessen, welchen
Foto: SZ Photo
Patrouille der Bundeswehr in Kundus im Jahr 2011. Soldatischer Härte in der Ausbildung ausreichend
Platz einzuräumen, ist eine wesentliche Voraussetzung für das Bestehen in der Einsatzrealität.
T I T E L : B E R U F S E T H O S
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